Zum 120-Jahr-Jubiläum ist in der Lokalzeitung RigiPost ein ausführlicher Bericht von Gabriella Boschet erschienen:
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A family affair since 1903
Dieses Jahr sind es 120 Jahre her, seit die Villa «Mon Abri» erbaut wurde. Die heutige Bewohnerin öffnet ihr Haus für Kultur.
Die Villa Mon Abri in Goldau ist 120 Jahre alt. Erika Goergen lud zu diesem Anlass Kulturinteressierte in ihren Garten und ihr Haus.
Der Kulturverein Arth lud zwei Mal zu einem Kulturevent der besonderen Art. Erika Goergen bot Architektur- und Kulturinteressierten einen Rundgang durch ihr Haus auf einem Hügel nahe des Bahnhofs in Goldau. Beide Führungen waren ausgebucht. An beiden war das Wetter regnerisch, so auch an der zweiten Führung am Samstag.
Nach der Pensionierung eine zweite Karriere starten: Wieso nicht, dachte sich Erika Goergen, und eröffnete ein Bed and Breakfast. Ein schöner Nebeneffekt: Ihre grosse Villa in Goldau SZ füllt sich wieder mit Leben.
Üsé Meyer, Beobachter, 03.04.2023
Ein Fremder, der es wagt, an der Pforte zum herrschaftlichen Anwesen zu klingeln? Gordon horcht auf. Ein lautes Bellen lässt den Besucher zwei Schritte nach hinten machen. Mit einem sympathischen, offenen Lächeln kommt Erika Goergen über den Kiesweg auf den Fremden an der Pforte zu.
«Schau, Gordon, das ist ein lieber Mensch, der da zu uns kommt», sagt die 78-Jährige zu ihrem Hund. Schon ist der hellbeige Labrador dem Fremden wohlgesinnt und lässt sich gern streicheln. «Sie kommen als Fremde und gehen als Freunde», lautet das Motto von Erikas Bed and Breakfast (BnB).
Mit der Psychologin und Mediatorin ist man gleich per Du. Gäste empfängt sie seit 2009 im Zweizimmer-Appartement, das sich im Erdgeschoss ihrer mit Efeu und wilden Reben überwachsenen Jugendstilvilla in Goldau SZ befindet.
«Meine Tochter hat mir schon gesagt, dass ich für gewisse Gäste fast etwas zu offen bin.»
Erika Goergen
Das von ihrem Urgrossvater 1903 erbaute Anwesen mit Rigiblick ist von einem 3800 Quadratmeter grossen gepflegten Park umgeben. Für die Gründung ihres Bed and Breakfast gab es zwei Auslöser: erstens die anlässlich ihrer Pensionierung definitive Rückkehr ins Elternhaus nach 17 Jahren in Italien, wo sie Leiterin von Rehabilitationszentren für blinde Kinder war. Und zweitens die spontane Aufnahme von Gästen eines Bekannten, der im Ort bereits ein BnB betrieb und eine grössere Gruppe unterbringen musste.
«Diese Leute im Haus zu haben, war so bereichernd und spannend, dass ich beschloss, auch ein Bed and Breakfast zu eröffnen.» Ausserdem sei sie nicht der Typ für Rentner-Kreuzfahrten.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um eine gute BnB-Gastgeberin zu sein? Auf diese Frage scheint Erika gewartet zu haben. Man müsse ein positiver Mensch sein, offen, warmherzig, dürfe über nichts schockiert sein und müsse ein unerschütterliches Vertrauen in die Menschheit haben.
«Also eigentlich alles, was wir Schweizer nicht haben oder sind», sagt sie augenzwinkernd. Dass sie vier Sprachen spricht, sei natürlich auch sehr nützlich, genauso wie ihr psychologischer Hintergrund: Sich selbst gut zu kennen, helfe im Umgang mit den Gästen. Aber natürlich sei auch sie nicht perfekt: «Meine Tochter hat mir schon gesagt, dass ich für gewisse Gäste fast etwas zu offen bin.»
Wichtig sei aber auch, sich räumlich zurückziehen zu können. Das eigene Bad mit den Gästen zu teilen, ist für sie nicht vorstellbar. Zu Beginn ihrer BnB-Karriere hat Erika den Gästen das Frühstück noch in ihrem eigenen Wohnbereich serviert.
Damit habe sie aber schnell wieder aufgehört: Nicht selten seien die Gäste bis zum Mittag dort sitzen geblieben. Nun können sie sich ein Frühstück mit allem Drum und Dran ins Appartement bestellen, das eine kleine, voll ausgerüstete Küche mit Kaffeemaschine und Kühlschrank hat.
Obwohl man immer noch von Bed and Breakfast spricht, müssen BnB-Unterkünfte in der Schweiz nicht zwingend ein Frühstück anbieten. Das sei relativ neu, sagt Dorette Provoost, Geschäftsführerin der BnB Switzerland GmbH, die die Buchungsplattform bnb.ch betreibt.
Zwingend sei hingegen der persönliche Kontakt. «Unterkünfte, die nur mit einem Schlüsseltresor agieren, können bei uns nicht mitmachen.» Wer ein BnB eröffnen will, müsse schon das Gastgeber-Gen in sich tragen, sagt Provoost. «Wenn man es nur fürs Geld macht, kommts nicht gut.»
Für Erika mit ihrem BnB «Villa Mon Abri» in Goldau ist der Zustupf von monatlich 1000 bis 1500 Franken sehr willkommen. Nicht unterschätzen sollte man den Aufwand, den ein BnB mit sich bringt.
Das fängt schon mit den nötigen Abklärungen an (siehe Box) und geht weiter über eine zeitgemässe Neumöblierung der Zimmer bis zur Kreation von Visitenkarten, Flyern und einer eigenen Website. «Das A und O für eine gute Vermarktung sind professionelle Bilder», sagt Dorette Provoost von BnB Switzerland. Ihre Organisation bietet einen Fotoservice für 399 Franken an.
Und auch wenn die Vermietung läuft, gibt es viel zu tun: die Gäste persönlich empfangen, putzen, die Bettwäsche wechseln, aber auch Website und Vermietungskalender auf den Onlineportalen regelmässig aktualisieren. Das «Digitale» hat Erika grösstenteils an einen Bekannten ausgelagert.
Den Mailverkehr mit den Gästen erledigt sie aber selbst. «Das ist oft ein langes Hin und Her und braucht viel Zeit.» Zeit investiert sie auch in den persönlichen Kontakt – lädt sie doch die meisten Gäste zu einem kleinen Apéro oder Znacht zu sich nach oben ein.
Natürlich gibt es manchmal auch unangenehme Erfahrungen. Etwa, wenn sich Gäste über Nichtigkeiten beschweren oder die Küche in einem desolaten Zustand zurücklassen. «Aber der allergrösste Teil meiner Zeit als Gastgeberin ist einfach nur schön!» Und sie will noch etwas mehr Leben in ihren Alltag bringen: Erst kürzlich hat sie ihren Service ausgebaut und bietet neben dem BnB nun auch Räume und den Park für Kulturevents und festliche Anlässe an.
Wie lange sie das alles noch machen will? «Bis ich abliege.» Das Gastgeberinnen-Gen hat Erika ganz offensichtlich. Kein Wunder: Ihr Urgrossvater, der Erbauer der Villa, war selbst erfolgreicher Hotelier. Mit ihrer offenen Art und ihrem Interesse an Menschen stellt sie schnell eine freundschaftliche Nähe her. Als Fremder fühlt man sich bald nicht mehr. Das schliesst auch den jetzt friedlich dösenden Gordon mit ein.
Wer Zimmer oder eine Wohnung als BnB-Unterkunft vermieten möchte, sollte als Erstes immer den Kontakt mit dem lokalen Tourismusbüro und der Gemeinde suchen – am besten schriftlich. Denn die örtlichen Gastgewerbegesetze oder Bestimmungen über Tourismusabgaben können stark variieren.
Wer sich auf der Website von BnB Switzerland (bnb.ch/gastgeberwerden) einschreibt, zahlt eine jährliche Gebühr zwischen 264 und 744 Franken – abhängig vom Abonnement (Budget oder Basic) und der Anzahl der Schlafplätze. Dazu kommt eine jährliche Zertifizierungsgebühr von 20 oder 40 Franken. BnB Switzerland verlangt hingegen keine Buchungskommission – die gesamten Mieteinnahmen bleiben also bei den Gastgebern. BnB Switzerland empfiehlt neuen Gastgeberinnen das etwas teurere Basic-Angebot, weil dann die Unterkunft auch über die Website myswitzerland.com von Schweiz Tourismus international vermarktet wird. Andere Onlineportale, um seine Unterkunft zu vermarkten, sind Airbnb oder Booking.com.
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THOMAS KÜCHLER, CEO DER SOB, LÄSST AN EINEM «SALONGESPRÄCH» IN GOLDAU TIEF HINTER DIE BAHNKULISSEN BLICKEN.
Von Josias Clavadetscher, Bote der Urschweiz
Die Schweizerische Südostbahn (SOB), einst auch als «Schwyzer Staatsbahn» verstanden, hat die Szene ziemlich aufgemischt. Vor allem seit sie mit dem kupferfarbenen «Treno Gottardo» die Strecke von Basel/Zürich nach Locarno anbietet. Und es ist noch nicht der Schluss der innovativen Entwicklung.
In einem «Salongespräch» in der Jugendstil-Villa «Mon Abri» in Goldau hat sich CEO Thomas Küchler den Fragen von Eisenbahn-Spezialisten gestellt und selber die ganze Entwicklung bis zur heutigen Situation erläutert. Küchler, nicht bekannt dafür, dass er keine deutlichen Worte wagt, hat tief aus dem Nähkästchen geplaudert.
Der «Treno Gottardo» ist, wie bekannt, ein Erfolgszug. Er ist möglich geworden dank dem neuen Fernverkehrskonzept des Bundes. In einem ersten Anlauf ist es der SOB damals noch nicht gelungen, aus ihrem bisherigen Raum hinaus zu expandieren und auf der Gotthard-Bergstrecke ein Angebot zu entwickeln. Zwei Jahre später kam der Impuls aus dem Kanton Uri, vom damaligen Ständerat Isidor Baumann. Es ging darum, nach der Neat-Eröffnung die Bergstrecke nicht zu vernachlässigen. Das Bundesamt für Verkehr hat die Basis dazu geschaffen, indem für den Fernverkehr eine «Mehrbahnenlösung» ermöglicht worden ist. Dies gegen den ursprünglichen Widerstand der SBB, die sogar zwischenzeitlich ein Vorkaufsrecht auf die Aktien der SOB einhandeln wollten.
SOB konnte ihr Geschäftsvolumen verdoppeln
Mit diesem Engagement im Fernverkehr kann die SOB ihr Geschäftsvolumen in etwa verdoppeln. Und zwar so, wie es frühere Erhebungen empfohlen haben, weil sonst das Unternehmen mit dem Stammnetz alleine längerfristig nicht überleben könne. Die Lösung sieht jetzt so aus, dass die SBB die Konzession für die Strecke halten, die Risiken tragen und die Einnahmen erhalten, die SOB aber operativ dieses Angebot vermarktet, betreibt und dafür pauschal entschädigt wird. Erst wenn die Erträge eine vereinbarte Quote übersteigen, ist die SOB zur Hälfte am Zusatzgewinn beteiligt.
Das könnte schon bald der Fall sein. Wie Küchler bestätigte, erfüllen die Frequenzen die Kalkulation mehr als genug. Man liege sogar dreissig Prozent über den Erwartungen. Die Nord-Rampe zwischen Arth-Goldau und Göschenen verzeichnet im Schnitt 3200 Passagiere pro Tag, der Scheiteltunnel Göschenen–Airolo 1150 Fahrgäste. Diese Nachfrage habe vielleicht mit dem Reiz des neuen Angebots zu tun, mit den attraktiven Zügen oder dem sogar international guten Echo. Erfreulich sei, dass über das ganze Startjahr hinweg die Frequenzen zugenommen haben.
Personalbestand auf 850 Mitarbeiter gestiegen
Das Ganze hat sich zudem personell stark ausgewirkt: Der Personalbestand der SOB ist von 600 auf heute 850 Mitarbeiter angewachsen, wobei sich im Austausch auch SOB- und SBB-Personal gegenseitig ablöst. In Erstfeld sind von der SOB zudem 25 neue Lokführer stationiert worden.
Allerdings ist man sich immer darüber im Klaren, dass die Verbindungen von Basel und Zürich her in das Tessin die eigentliche Bergstrecke quersubventionieren müssen. Anders gehe es nicht. Das Bekenntnis der SOB zu diesem Angebot ist aber eindeutig. Küchler betonte mit Blick auf die nächste Konzessionsvergabe: «Die Bergstrecke geben wir nicht mehr her.»
Doppelstöcker müssen eingesetzt werden
Das Angebot soll sogar laufend verbessert werden. Die SOB rechnet fest damit, dass sie im Fernverkehr künftig ebenfalls «Doppelstöcker» einsetzen müssen wird. Oder wenn je nach Witterung und Wochentag in einem Zug mit 12 Velo-Stellplätzen plötzlich 40 Fahrräder mittransportiert werden müssen, dann möchte man dies so lösen, dass Wagen kurzfristig modular umgebaut werden könnten.
Weiter wird die SOB in einem Monat mit dem Fahrplanwechsel die Verbindung von Bern via Zürich bis Chur anbieten. Dieses Angebot «Aare-Linth» wird dann nach dem Voralpen- Express und dem «Treno Gottardo» die dritte Linie unter einer eigenen Marke sein. All diese Verbindungen sind so konzipiert worden, dass sie jeweils an das touristische Angebot der bedienten Region anschliessen. Gerade auch die Tourismusanbieter in den Kantonen Schwyz, Uri und Tessin haben sich daran stark beteiligt. Dem Fahrgast kann so fast überall ein Gesamtpaket angeboten werden. Die Idee, welche dahinter stecke, sei, «dass ein Zug allein nicht ausreicht». Auch die Frequenzen des Voralpenexpress sind schon heute zu mehr als der Hälfte touristisch.
Fährt die SOB bald über die Grenzen?
Weil inzwischen feststeht, dass es gemäss Bundesrat weiterhin in der Schweiz «nur eine Fernverkehrskonzession geben wird, aber ein Mehrbahnenmodell», ist die Kooperation der drei grossen Bahnunternehmen faktisch vorgegeben. Dies eröffnet auch der SOB weitere Felder. Das heisst: Die Intercity-Netze sind zwar tabu, auf den Interregio-Strecken aber können sich die Privatbahnen tummeln. Die SOB werde so sicher in den Regionen Ostschweiz und Zentralschweiz die Augen offen halten. Denkbar ist auch eine Expansion vom schweizerischen Terrain aus über die Landesgrenzen hinweg ins benachbarte Ausland. Bahnfachleute erwähnen zu Beispiel die Linie Konstanz–Schaffhausen–Basel.
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Quelle: Bote der Urschweiz, 18.11.2021